Der Berliner Künstler Ulf Aminde leitet in Sorsum ein besonderes Kunstprojekt

Es wird laut, wenn Ulf Aminde bohrt, also muss sich Hans-Joachim Teske kurz die Ohren zuhalten, bevor er und die anderen weiter werkeln können. Vier Dübel werden in die Wände des Wilderers-Ateliers der Diakonie Himmelsthür geschlagen, um große Leinwände daran befestigen zu können. Acht Projektteilnehmer haben auf den fünf mal zwei Meter großen Bahnen in Rot und Rosa Herzen, Menschen, Blumen und Schrift aufgemalt – ein verschachteltes Panorama von Motiven, Zitaten und Aussprüchen rund um das Thema Liebe. Wenn all das fertig ist, soll sich bald schon ein Raum im Raum ergeben, in dem eine Art Talkshow stattfinden wird.

Ja, es passieren ungewöhnliche Dinge – und die kleine Gruppe aus acht Menschen mit Behinderungen ist nicht nur für zwei Wochen von ihrer normalen Arbeit in den proWerkstätten Himmelsthür freigestellt, sie widmet sich auch mit Feuereifer der Kunst. Sie verfügen schließlich über einige Vorerfahrungen: Manche von ihnen gehören zur Künstler/innengruppe „Wilderers“, andere haben vorher schon an theaterpädagogischen Projekten teilgenommen. Hier kommt nun alles zusammen.

„Wir sind sehr dankbar, dass die Stiftung Himmelsthür es uns finanziell ermöglicht, über diesen Zeitraum mit einem bildenden Künstler von diesem Format etwas derartig Anspruchsvolles zu entwickeln“, sagt Kunstpädagogin Almut Heimann. Anspruchsvoll: Damit ist das Konzept Ulf Amindes gemeint, der den Projektablauf entwickelt hat und seine Vision eines verschachtelten Gesamtkunstwerks verwirklicht – eine außergewöhnliche Mischung aus Aktion, Videofilm und Malerei. Unterstützt wird der Berliner von der Kunstpädagogin und von Benjamin Westphalen, der sein Freiwilliges Soziales Jahr in der Diakonie Himmelsthür absolviert.

Das Thema des Projekts ist die Inklusion. Um Selbstbestimmung geht es und um Kontakt auf Augenhöhe. „Darüber haben wir uns bei einem Gespräch mit einigen Vertretern der Diakonie und den Bewohnern ausgetauscht, mit der Geschäftsführung zum Beispiel und der Öffentlichkeitsarbeit, und all das auf Video aufgenommen“, erklärt Ulf Aminde.

Aber das war nur ein Punkt von vielen. Mit den malerisch gestalteten Transparenten gab es eine Art Demonstrationszug durchs Stadtfeld, einem Stadtteil von Hildesheim, und die Teilnehmenden haben ihre Wohnungen vorgeführt, die neue Heimat, die sie dort zum Teil bereits gefunden haben. All das wurde gefilmt, genau wie die Szenen, die hier zum Thema Liebe aufgeführt wurden. „Dabei gehen wir sehr behutsam vor, nähern uns diesem Aspekt mit Vorsicht und Würde, erzeugen durch die Arbeit aber auch eine kritische Distanz zu dem Thema“, wie der bereits mehrfach ausgezeichnete Berliner Künstler betont.

„Ich kenne die meisten Mitwirkenden ja schon sehr lange“, so Almut Heimann, „aber es überrascht mich schon, auf welchem Niveau und mit welcher Tiefe sie jetzt über solche Themen sprechen. Das hat das Projekt erreicht, und die Ergebnisse sind erstaunlich.“ Für Ulf Aminde ein entscheidender Punkt: „Darum geht es doch auch bei der Inklusion. Nicht nur um selbstbestimmtes Wohnen, sondern um selbstbestimmtes Leben. Liebesfähigkeit und Liebesbedürfnis sind da ganz zentral.“

Der Text erschien zuerst im Magazin „miteinander.leben“ der Diakonie Himmelsthür, Ausgabe Mai 2011.

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